Einführung in das Recht der Regionalplanung
Deutschland zählt zu den am dichtesten besiedelten Ländern Europas. Täglich werden zudem ausweislich der amtlichen Flächenstatistik des Bundes durchschnittlich 52 Hektar als Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland neu ausgewiesen. Zahlreiche schutzwürdige Nutzungsinteressen (z.B. Ausbau erneuerbarer Energien, Schaffung neuen Wohnraums, Realisierung von Industrieneuansiedlungen, Sicherung von Flächen für die Landwirtschaft und für den Naturschutz) würden bei fehlender überörtlicher Planung zu erheblichen Nutzungskonflikten führen. Allein auf kommunaler Ebene ließe sich diese Aufgabe (z.B. durch Flächennutzungs- und Bebauungspläne) nicht bewältigen. Zum Zwecke der Vermeidung sozialer, wirtschaftlicher und infrastruktureller Ungleichgewichte zwischen Verdichtungsräumen und zur Sicherung wichtiger Funktionen des Raumes werden in Deutschland durch den Bund und die Länder Raumordnungspläne für den Gesamtraum bzw. entsprechende Teilräume aufgestellt. Die Regionalplanung ist dabei der Raumordnung der Länder zugeordnet. In Sachsen-Anhalt dient diese primär der Konkretisierung der Landesentwicklungsplanung und der Festlegung von Zentralen Orten unterer Stufe (Grundzentren).
Die wichtigste Pflichtaufgabe der Regionalen Planungsgemeinschaften in Sachsen-Anhalt besteht in der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Fortschreibung des Regionalen Entwicklungsplans und von Regionalen Teilgebietsentwicklungsplänen (§ 2 Abs. 4 S. 2 LEntwG LSA). Bei diesen Plänen handelt es sich aus juristischer Sicht um Raumordnungspläne. Das Recht der Regionalplanung wird dementsprechend maßgeblich durch das geltende bundes- und landesrechtliche Raumordnungsrecht geprägt. Für das Raumordnungsrecht besteht eine bundesrechtliche (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG). Der Bund hat von dieser Kompetenz durch den Erlass des Raumordnungsgesetzes (ROG) Gebrach gemacht, welches die Länder gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 ROG sowohl zur Aufstellung eines landesweiten Raumordnungsplans als auch zur Aufstellung von Regionalplänen verpflichtet. Sachsen-Anhalt hat die Regionalplanung daraufhin – wie die meisten anderen Bundesländer – kommunalisiert und durch das Landesentwicklungsgesetz (LEntwG LSA) den Regionalen Planungsgemeinschaften übertragen. Dies führt zu der Konstellation, dass die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger der Regionalplanung eine bundesrechtliche Vorgabe durch die Regionalen Planungsgemeinschaften als eigene Angelegenheit ausführen.
In den verschiedenen Planungsebenen übernimmt die Regionalplanung die Schnittstelle zwischen der Landesentwicklungsplanung und der kommunalen Bauleitplanung (durch Flächennutzungs- und Bebauungspläne). Im Gegensatz zur Bauleitplanung oder anschließenden Vorhabengenehmigungen sind Regionalpläne (bzw. Raumordnungspläne im Allgemeinen) vor allem durch ihre fachlich und örtlich übergreifende Planung geprägt.
Quelle Darstellung: Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald
Die Regionalen Planungsgemeinschaften Sachsen-Anhalts sind zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Fortschreibung verschiedener Arten von Regionalplänen verpflichtet:
Eines Regionalen Entwicklungsplans (Pflicht dazu aufgrund von §§ 2 Abs. 4, 9 LEntwG LSA) in der Fassung der Planänderung aus dem Jahre 2023. In diesem sind die Zentralen Orte der unteren Stufe (Grundzentren) festzulegen und Festlegungen des Landesentwicklungsplans zu ergänzen und zu konkretisieren;
Verschiedener Teilgebietsentwicklungspläne (=TEP, auch bekannt als Braunkohlenpläne, Pflicht dazu aufgrund von § 10 Abs. 1 und 3 LEntwG LSA). Darin sind insbesondere Festlegungen zu Abbaugrenzen und Sicherheitslinien des Abbaus, zu Haldenflächen und deren Sicherheitslinien, zu erforderlichen Umsiedlungen und – in Zeiten des Kohleausstiegs von zentraler Bedeutung - zur Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft zu treffen. In der Planungsregion Halle sind vier solcher Pläne durch die RPGH erlassen worden: TEP Profen (wird z.Zt. fortgeschrieben), TEP Amsdorf (wird z.Zt. fortgeschrieben), TEP Geiseltal, TEP Merseburg-Ost;
Eines sachlichen Teilplans zur Festlegung regionaler Teilflächenziele für die Windenergie an Land (Pflicht dazu aufgrund von § 9a Abs. 1 und 2 LEntwG LSA i.V.m. § 3 Abs. 1 WindBG) und
Eines Sachlichen Teilplans für Zentrale Orte, Sicherung und Entwicklung der Daseinsvorsorge sowie großflächiger Einzelhandel (gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 ROG). Die Aufstellung erfolgte infolge einer Abkoppelung vom Verfahren zur Fortschreibung des Regionalen Entwicklungsplans zugunsten eines eigenständigen Sachlichen Teilplans.
Um eine ausreichende Steuerungs- und Bindungswirkung der Regionalpläne gegenüber der nachfolgenden Planungs- und Vorhabenebene zu bewirken, werden in den Plänen Ziele und Grundsätze der Raumordnung festgeschrieben.
Bei Zielen der Raumordnung handelt es sich gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG um verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumentwicklungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Hierbei handelt es sich nicht bloß um eine unverbindliche Zielvorstellung. Die Ziele der Raumordnung haben unmittelbaren Einfluss auf die kommunale Bauleitplanung (Flächennutzungs- und Bebauungspläne) und andere raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen. Hinsichtlich der Ziele der Raumordnung besteht dabei stets eine strikte Beachtungspflicht, vgl. §§ 1 Abs. 4, 35 Abs. 3 S. 2 BauGB, 4 ROG. Da die Ziele der Raumordnung bereits abschließend abgewogen wurden, können diese zum Beispiel bei dem Erlass eines Bebauungsplans nicht einfach weggewogen werden. Eine besondere Ausprägung der Ziele der Raumordnung ist die regionalplanerische Festlegung von Vorranggebieten für bestimmte Nutzungen. Wird ein Gebiet beispielsweise regionalplanerisch als Vorranggebiet für Landwirtschaft festgelegt, so sind andere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet nicht zulässig. In ein Vorranggebiet für Landwirtschaft dürfte beispielsweise nicht ein Siedlungsgebiet hin erweitert werden, vgl. § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 ROG. Ein solches Vorranggebiet kann aber auch außerhalb dieses Gebiets Wirkungen entfalten, wenn dieses als sog. „Vorranggebiet mit Ausschlusswirkung“ festgesetzt wird. In diesem Fall müssen sich die Nutzungen auf das festgesetzte Vorranggebiet konzentrieren, an anderer Stelle im Planungsraum sind diese ausgeschlossen. Dieser Ansatz wird in der Planungsregion derzeit im Bereich der Windenergienutzung gewählt (aufgrund von § 245e Abs. 1 BauGB befristet bis zum Inkrafttreten des Sachlichen Teilplans Erneuerbare Energien bzw. bis zum 31.12.2027), welche - von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur innerhalb der Vorranggebiete errichtet werden dürfen, siehe Ziel 5.8.1.11. zum REP Halle 2010:
Raumbedeutsame Windenergieanlagen sind in Eignungsgebieten und Vorranggebieten mit der Wirkung von Eignungsgebieten zu konzentrieren mit der Folge, dass eine Errichtung außerhalb dieser Gebiete nicht zulässig ist.
Im Ausnahmefall kann von einem Ziel der Raumordnung nur abgewichen werden, wenn ein Zielabweichungsverfahren gem. §§ 6 Abs. 2 ROG, 11 Abs. 2 LEntwG LSA durchgeführt wurde. Eine derartige Zielabweichung ist aber nur möglich, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Abweichung nicht dem planerischen Gesamtkonzept zuwiderläuft, welches aus einer Gesamtschau der Festlegungen des Plans ermittelt werden muss (Kment in: Kment, Kommentar zum Raumordnungsgesetz, § 6 Rn. 71 m.w.N.).
Mithilfe der Festlegung von Grundsätzen der Raumordnung werden gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen getroffen. Im Gegensatz zu den o.g. Zielen der Raumordnung sind die Grundsätze mithin eher konzeptioneller Art und können im Rahmen von Abwägungsentscheidungen „weggewogen“ werden. Dennoch müssen sich die nachfolgenden Planungsebenen damit befassen und die Grundsätze der Raumordnung in ihre Entscheidungsfindung mit einbeziehen.
Beispiel eines Grundsatzes aus dem Bereich der Forstwirtschaft:
Insbesondere im Nahbereich der Ober- und Mittelzentren sind vorhandene Waldbestände zu erhalten und vor Eingriffen, welche die Schutz- und Erholungsfunktionen beeinträchtigen, möglichst zu bewahren (Grundsatz 2 zu Ziffer 6.9 REP 2010).
Diese regionalplanerische Festlegung ist mithin bei Abwägungsentscheidungen zu Flächennutzungs- oder Bebauungsplänen oder Ermessensentscheidungen zu anderen raumbedeutsamen Maßnahmen zu berücksichtigen. Die Steuerungswirkung ist dabei zwar geringer als bei den Zielen der Raumordnung, verpflichtet die jeweilige öffentliche Stelle aber zu einer gründlichen Abwägung oder Entscheidung unter Berücksichtigung der Festlegungen des Grundsatzes. Der jeweilige Grundsatz findet sich in einem Pool aus verschiedenen Abwägungsbelangen wieder, vgl. § 1 Abs. 6 BauGB (im Beispielsfall z.B. die Belange der Wirtschaft oder die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung). Als Möglichkeit zur Gebietsfestsetzung mit der Bindungswirkung eines Grundsatzes der Raumordnung können Vorbehaltsgebiete i.S.d. § 7 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ROG festgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich bei Vorbehaltsgebieten aufgrund ihres Einflusses auf Abwägungsentscheidungen um Grundsätze der Raumordnung (vgl. statt aller: BVerwG, Urteil vom 16.04.2015 – 4 CN 6/14 –, juris Rn. 6).
Mithin kommt der Regionalplanung eine wichtige Steuerungs- und Koordinierungsfunktion zu. Sie hat einen direkten Einfluss auf die kommunale Bauleitplanung und die nachfolgende Vorhabenebene und ist damit ein wichtiger Bestandteil der formellen Planung in der Planungsregion. Dementsprechend wird die Regionale Planungsgemeinschaft Halle auch im Rahmen der Bauleitplanung und verschiedenen raumbedeutsamen Fachplanungen als Trägerin Öffentlicher Belange beteiligt und gibt hierzu Stellungnahmen ab. Sollten raumbedeutsame Planungen oder Maßnahmen gegen Festsetzungen eines Regionalplans der RPGH verstoßen, besteht gem. § 12 Abs. 1 Nr. 2 LEntwG LSA die Möglichkeit der Untersagung im Benehmen mit dem für die Planung oder Maßnahme fachlich zuständigen Ministerium.